Schwuler bauernhof münchen
Michael Stückes Herde soll die erste schwule Schafherde Deutschlands sein. Aus ihrer "Regenbogen-Wolle" entsteht jetzt eine Modekollektion. Michael Stücke ist ein offener Typ. Nur eines darf man ihn nicht fragen: Wie viele Schafe besitzt du? Die Frage sei ihm zu intim.
Sie fühle sich an, wie ein fremder Blick aufs eigene Bankkonto. Ein paar Hundert Schafe seien es, das müsse als Information reichen. Ohnehin ist die Frage, wie viele Schafe der Landwirt besitzt, längst nicht so interessant wie die Frage, welche Schafe er besitzt. Denn seit ungefähr einem Jahr hütet er auf seinem Hof in Löhne in Ostwestfalen zusätzlich zum normalen Schäfereibetrieb eine weitere, neue Herde.
Und diese Schafherde ist nicht irgendeine Schafherde. Es ist die — so sagt er selbst — erste schwule Schafherde Deutschlands, vielleicht sogar der ganzen Welt.
Schwuler bauernhof: urlaub auf dem land, anders erleben – eine idee für münchen?
Die Tiere wurden von Züchtern aus ganz Deutschland aufgekauft und können nun auf Stückes Hof "leben und lieben, wen und wie sie wollen". Hinter dem Projekt Rainbow-Wool Regenbogen-Wolle stehen neben Michael Stücke noch die Bürgerrechtsorganisation Verband Queere Vielfalt sowie eine Kölner Werbeagentur, die das Projekt ehrenamtlich unterstützt.
Stücke ist selbst Teil der Gayfarmer, einer Berufsvereinigung von queeren Menschen in der Landwirtschaft. Zusammen mit seinem Lebensgefährten Jochen Klinge kümmert er sich seit fast 30 Jahren um Schafe. Der Begriff bezeichnet allgemein sexuelle Orientierungen oder geschlechtliche Identitäten, die von der Heterosexualität abweichen.
Es gibt aber auch Menschen, die sich zwar als queer bezeichnen, aber nicht als lesbisch, schwul, bi, inter oder trans. Mehr dazu lesen Sie hier. Studien zufolge sind circa neun Prozent aller Schafböcke homosexuell. Auch Gottfried Hohmann vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie bestätigt: Homosexualität sei in der Tierwelt etwas völlig Normales und komme bei unzähligen Tierarten vor.
Sexualität diene auch im Tierreich nicht nur der Fortpflanzung, sondern beispielsweise dem Stressabbau, etwa innerhalb einer Herde. Normalerweise landen homosexuelle Böcke beim Schlachter. So wie im Übrigen die meisten Schafe in Deutschland, denn hierzulande gibt es nur noch wenig Wollproduktion.
Auch Stücke hält einige Schafe zur Fleischproduktion. Die schwule Herde soll aber nur geschoren werden. Umringt von Bentheimer Landschafen, Grau Gehörnten Heidschnucken und einem Walliser Schwarznasenschaf hockt Stücke an diesem leicht verregneten Donnerstag auf seiner Weide und erzählt, wie er zu den schwulen Böcken gekommen ist.
Oder genauer gesagt, wie die schwulen Böcke zu ihm gekommen sind. Immer wieder wird er dabei unterbrochen von den Tieren, die ihn mal mehr, mal weniger zärtlich in die Seite rammen. Alles habe angefangen, als ihn eine Freundin gefragt habe, ob es schwule Schafe gibt.
Doch nach einem weiteren Gespräch mit der Hoftierärztin wuchs die Neugier, Stücke machte sich schlau. Als ihm die Freundin dann vorschlug, schwule Böcke aufzukaufen und aus deren Wolle Mode für den guten Zweck zu machen, willigte er in das Wagnis ein. Was dann folgte, übertraf Stückes Vorstellungskraft: Sänger Bill Kaulitz adoptierte zwei Schafe als Teil einer Werbeaktion für Rainbow-Wool.
Medienanfragen überfluteten plötzlich Stückes E-Mail-Postfach.